Die Phasen der Mewes-Strategie werden im kontinuierlichen Prozess der Strategie-Entwicklung immer wieder durchlaufen.

Die 7 Entwicklungsschritte der Engpass-Konzentrierten Strategie

Von Prof. h.c. Wolfgang Mewes

In seinem Artikel: „Structure follows strategy“ im Strategie Journal 03-2007 beschrieb Wolfgang Mewes u.a. in aller Kürze die sieben Phasen der Engpass-Konzentrierten Strategie und wie sie ineinander greifen. Es ist immer wieder inspirierend, seine Ausführungen nachzuvollziehen. Interessant ist die Beschreibung einerseits für Strategie-Neulinge, aber auch Kenner der Materie werden sicherlich von der Lektüre profitieren. Hier der Auszug über die sieben Phasen.


 

Die Vorgehensweise, die hier mit Schwerpunkt auf die Entwicklung von Karrieren geschildert wird, gilt sinngemäß auch für die Entwicklung von Ideen, Projekten und Unternehmen. Es handelt sich grundsätzlich um den naturgesetzlichen Prozess, wie ein Einzelner optimal in das ihn umgebende gesellschaftliche Ganze hineinwächst.

(…) In allen Erfolgen mit der Mewes-Strategie ist deutlich ein Zusammenhang zwischen der Konsequenz, mit der die Strategie verfolgt wurde und dem erreichten Erfolg zu erkennen. Leider kennen aber selbst viele Anwender nur die ersten Schritte der  Engpass-Konzentrierten Strategie. Schon sie machen immer wieder überraschend erfolgreich.

Aber man muss sich den ineinandergreifenden Zusammenhang der sieben Entwicklungsschritte tief ins Bewusstsein, ja ins Unterbewusstsein einprägen, um in jeder Situation schon ohne langes Nachdenken entsprechend zu handeln. Dieses „Einprägen“ kann nur durch immer neue Wiederholung geschehen. Denn erst Übung macht den Meister. Dann aber sicher.

 

1. Schritt: Analyse der individuellen Eigenschaften und speziellen Stärken.

Worin unterscheide ich mich von meinen Mitbewerbern? Jeder Mensch oder Betrieb ist letztlich einzigartig. So ähnlich wie in seinen Fingerabdrücken unterscheidet er sich von allen anderen. Das herrschende Bildungswesen ebnet diese Unterschiede durch standardisierte Lehrpläne, Berufsbilder, Prüfungsinhalte usw. ein. Die Mewes-Strategie lehrt dagegen, sich seiner individuellen Unterschiede und Stärken bewusst zu werden und sie gezielt auszuprägen. Und zwar nicht irgendwie gezielt, sondern möglichst genau in die erfolgversprechendste Lücke zwischen den anderen. Durch das gleicher machende Bildungswesen wird jeder zum Konkurrenten aller gleich Ausgebildeten, durch die Mewes-Strategie dagegen zu deren wichtigstem Ergänzer.

Der Erfolg hängt davon ab, mit welcher
Konsequenz die  Mewes-Strategie verfolgt wird.

Jeder hat solche individuellen Eigenschaften und Stärken. Er muss sich ihrer nur bewusst werden. Selbst, dass man jünger, kleiner oder schwächer ist als andere oder gar behindert ist, kann zur Stärke entwickelt werden. Beispielsweise hat sich ein durch Unfall querschnittsgelähmter Kfz-Meister unter dem Einfluss der Mewes-Strategie zu einem der führenden Konstrukteure von Rollstühlen für Querschnittsgelähmte entwickelt. Er weiß besser als andere, was ein Querschnittsgelähmter noch kann und braucht. (…)

 

2. Schritt: Suche nach den Aufgaben bzw. Berufsfeldern, die diesen Stärken entsprechen.

Hier wird zunächst im großen Rahmen gesucht, welche Aufgaben- bzw. Berufsfelder den speziellen Eigenschaften und Stärken am besten entsprechen. Ähnlich wie schon die Suche nach den speziellen Stärken ergibt sich das nicht aus Kurzschluss-Entscheidungen, sondern aus einem sich über längere Zeit hinziehenden „kybernetischen“, d.h. sich wechselseitig steuernden Anpassungsprozess zwischen den eigenen Ideen und den Realitäten in seiner Umwelt. Man sucht, ob und wo die eigenen Wünsche und Ideen den Bedürfnissen seiner Umwelt am ehesten entsprechen.

 

3. Schritt: Suche nach der erfolgversprechendsten Ziel- und schließlich Teil-Zielgruppe.

Hinter jedem Aufgaben- bzw. Berufsfeld stehen konkrete Zielgruppen. Das sind reale Personen oder Unternehmen, die ganz konkrete Vorstellungen, Bedürfnisse, Probleme und Engpässe haben und dafür Mitarbeiter mit speziellen Stärken, Einstellungen und Leistungen brauchen. Die Frage ist: Welche konkreten Zielgruppen gibt es auf meinem Gebiet überhaupt und bei welchen stimmt das eigene Wunsch- und Eignungsprofi am besten mit deren Anforderungsprofil überein? Statt sich, wie bisher üblich, bis in die zwanziger oder gar dreißiger Jahre irgendwie „ins Blaue“ zu entwickeln, beginnt man hier, sich auf eine konkrete Zielgruppe und deren spezielle Bedürfnisse und Anforderungen zu entwickeln. Man entwickelt sich „wie ein Schlüssel ins Schloss“.

Schon hier beginnt der von der Mewes-Strategie angezielte Prozess, sich vom Bewerber zum Umworbenen zu entwickeln. Er macht viele der heute mühsam trainierten Bewerbungs-Feinheiten zu überflüssigem Ballast. Denn man wird, wie derzeit beispielsweise als Entwicklungsingenieur für Hybridmotoren von den Autoherstellern, wegen seiner Schlüsselqualifikationen bzw. „Kernkompetenz“ von der ganzen Zielgruppe gesucht, umworben und selbst abgeworben, statt sich selbst bewerben zu müssen.

 

4. Schritt: Suche nach dem von der Zielgruppe am brennendsten empfundenen Problem:

In einer ersten Stufe wird hier untersucht, welche Probleme die angezielte Zielgruppe auf meinem Gebiet hat und in einer zweiten, welches sie davon am stärksten empfindet bzw. ihr am dringendsten „unter den Nägeln“ brennt. Jede Zielgruppe hat Probleme: wichtige und weniger wichtige. Eines unter ihnen wird von ihr am brennendsten empfunden. Das ist das Engpass-, Kern- oder Minimumproblem (Liebig), auch Gordischer Knoten. Es hat zwischen allen anderen Problemen eine Schlüsselstellung. Denn in dem Maße, wie dieses Problem gelöst wird, lösen sich unzählige, tatsächlich oft tausende Probleme fast automatisch mit. Auf die Lösung dieses Problems reagiert die Zielgruppe schon intuitiv am stärksten, oft „wie von der Tarantel gestochen“.

Auf die Lösung des Kernpoblems reagiert
die Zielgruppe schon intuitiv am stärksten.

Bisher lernen wir, uns um viele Probleme gleichzeitig zu kümmern, wodurch wir unsere Kräfte verzetteln. Die Mewes-Strategie konzentriert dagegen alle Kräfte auf die Lösung dieses Engpass-Problems. Erstens löst man es unter dieser Konzentration der Kräfte sicherer, schneller und stärker. Und zweitens lösen sich, wie die Mewes-Strategie inzwischen an immer neuen praktischen Fällen demonstriert, dadurch unzählige andere Probleme automatisch mit. Und zwar besser als sie einzeln gelöst werden können. Mit weniger, aber gezielterem Einsatz seiner Kräfte auf diesen „Gordischen Knoten“ erzielt man tatsächlich ungeahnt größere Wirkungen. (…)

 

5. Schritt: Die Innovationsstrategie:

Das brennendste Problem seiner Zielgruppe zu kennen, genügt nicht. Man muss es auch schneller und überzeugender lösen als alle anderen. Die Mewes-Strategie Innovationsstrategie lehrt, wie man das macht. Der große Vorteil ist schon mal, dass hier die Überlegungen nicht über die heute unzähligen Innovationsmöglichkeiten verzettelt, sondern auf das von der Zielgruppe am brennendsten empfundene Schlüsselproblem konzentriert werden. Hier sucht die Zielgruppe schon von sich aus nach Lösungen und greift sich abzeichnende Lösungen schon im Frühstadium auf. Sie sind praktisch schon „vorverkauft“.

Eine Zielgruppe besteht aus realen Personen oder
Unternehmen, die ganz konkrete Bedürfnisse haben.

Eine Zielgruppe besteht aus realen Personen oder Unternehmen, die ganz konkrete Bedürfnisse, Probleme und Engpässe haben. Aus eigenem Interesse hilft die Zielgruppe oft bei der Entwicklung der Innovation und ihrer Finanzierung mit. Es ist nur eine Frage des genaueren Zielens und der Präsentation. Kurz gesagt: Präziser auf das von seiner Zielgruppe am dringendsten empfundene Problem zu zielen, macht unzählige heute ablenkende Überlegungen und Kräfteverzettelungen überflüssig. Die Durchschlagskraft der zunächst entwickelten Innovation wird dann noch durch fünf Standardinnovationen der Mewes-Strategie, wie z.B. Kybernetische Kalkulation, Grenzkosten-Kooperation, „Energetisierung“, Präsentation, sozusagen als „Zusatzraketen“ verstärkt.

 

6. Schritt: Die Kooperationsstrategie:

Aber was ist, wenn – wie in den allermeisten Fällen – die eigenen Kräfte und Fähigkeiten nicht reichen? Die Innovationsidee ist zwar da, aber es fehlen die zur ihrer Realisierung erforderlichen Kräfte, Informationen, Fähigkeiten, Beziehungen und/oder Mittel? Am Gerber-Fall (s. Foto) demonstriert die Mewes-Strategie eine grundsätzlich neue Methode der Kooperationsentwicklung bzw. „Bündelung der Kräfte“. Viele halten sie für die überraschendste von allen Methoden der Engpass-Konzentrierten Strategie. Der Gerber-Fall zeigt, wie ein ganz durchschnittlicher Angestellter aus seiner Arbeit heraus eine durchschlagende Milliarden-Innovation entwickeln kann. Wegen der sich überall beschleunigenden Dynamik – d.h. Veränderungen der Verhältnisse – kann das praktisch jeder.

Nicht dadurch, dass er die ihm fehlenden Kräfte, Fähigkeiten, Kenntnisse, Mittel, Beziehungen usw. mühsam erst selbst erwirbt. Das dauerte in den immer schneller veränderlichen Verhältnissen der heutigen Zeit viel zu lange. Sondern dadurch, dass er das jeweils Fehlende durch die Kooperation mit Leuten, die es besitzen, Schritt für Schritt einbezieht. Mit jedem weiteren Kooperationspartner wird die Realisierung der Innovation spiralförmig immer leichter und sicherer.

 

7. Schritt: Von brennendstem Problem zu brennendstem Problem in Richtung auf das konstante soziale Grundbedürfnis.

Hinter jedem heute brennenden Problem bzw. Bedürfnis entwickeln sich naturgesetzlich schon wieder neue. In der Dynamik der heutigen Verhältnisse kann und darf man nicht stehen bleiben, darf aber auch nicht wahllos alles Neue aufgreifen. (…) In der Spannungsbilanz zeichnet sich wie auf einem Radarschirm der „Weg des objektiv größtmöglichen Erfolges“ ab: Was und wann man tun und was und wann man lassen sollte.