MEWES-STRATEGIE-PRINZIP 2

GANZHEITLICHE SPEZIALISIERUNG UND FOKUSSIERUNG

Viele Menschen wären gern erfolgreicher. Doch was ist Erfolg? Die meisten Menschen stellen sich darunter finanziellen Erfolg vor: mehr Umsatz, mehr Gewinn, mehr Gehalt – und in der Folge mehr Sicherheit, mehr Freiheit, mehr Reichtum.

Doch wie sollen wir das bewerkstelligen, mehr Erfolg zu haben? Die vordergründige Logik sagt uns, dass wir uns für mehr Erfolg mehr anstrengen müssen: mehr Arbeiten, mehr Lernen, mehr Produkte, mehr Werbung, mehr (Selbst-)Motivation, mehr Innovationen, mehr Rationalisierung und mehr Kostensenkung … die Liste ließe sich beliebig verlängern. Das Ansatz der MST steht zu den meisten dieser Rezepte im diametralen Gegensatz: nicht mehr – sondern ein „anderer“, möglicherweise sogar weniger Einsatz, um am Ende mehr zu erreichen als zuvor.

Im Rahmen der MST geht es nicht darum, möglichst viel zu leisten, sondern darum, möglichst viel zu bewirken. Zwischen diesen beiden Begriffen liegen Welten. Traditionell sind wir darauf konditioniert, möglichst viel zu leisten – der Begriff „Leistungsgesellschaft“ ist typisch dafür. Mit „Leisten“ verbinden wir ein hohes Maß an Einsatz, Fleiß oder Arbeitswillen. Stillschweigend nehmen wir dabei an, dass mit viel Leistung auch viel Wirkung einhergeht. Doch das ist ein Irrtum. Die Kunst der Strategie besteht gerade darin, mit gezieltem Kräfteeinsatz mehr zu erreichen als zuvor. Es geht darum, eine möglichst optimale Wirkung zu erzielen.

Aus der Physik wissen wir, dass wir unsere Wirkung durch die Konzentration der Kräfte dramatisch steigern können. Beispiele sind das Brennglas oder die Axt. Der gleiche Effekt tritt bei der Konzentration geistiger Kräfte ein. Unsere Leistungsfähigkeit steigt dramatisch, wenn wir unsere geistigen und emotionalen Kräfte konzentrieren. Konzentration allein ist jedoch noch kein Erfolgsrezept – entscheidend ist, worauf man seine Kräfte konzentriert. Wer jemals versuchte, mit einer Axt einen Stein zu spalten, kann das nachvollziehen.

Konzentration der Kräfte macht nur dann Sinn, wenn diese Energie auf ein passendes Ziel gerichtet wird. Genau das ist ein zentrales Anliegen der MST: wir wollen mit unseren begrenzten Mitteln ein Höchstmaß an Wirkung erzielen. Dazu muss geklärt werden wie und worauf wir alle unsere Kräfte und Mittel richten.

Wir leben in einer Zeit, in der das verfügbare Wissen dramatisch ansteigt. Weltweit wird in einer nie da gewesenen Tiefe und Breite geforscht. Die Vielfalt an Produkten, Prozessen, Ideen und Methoden ist unüberschaubar. Unser Leben wird immer komplexer, und unsere Wahlmöglichkeiten sind theoretisch unendlich hoch. Immer mehr Menschen werden von dieser Komplexität überfordert und landen im Burnout oder in der Depression. Andere werden zwar von einer Idee zur anderen getragen, geben aber beim kleinsten Anzeichen eines Misserfolges auf.

Weil wir heute weniger denn je alle möglichen Probleme für alle möglichen Menschen lösen können, müssen wir uns fokussieren. Oder, um es klarer auszudrücken: wir müssen uns spezialisieren.

Die Spezialisierung ist der beste Weg, um bei gleichem oder geringerem Kräfteeinsatz wesentlich erfolgreicher zu werden: Wer seine Kräfte für alles mögliche einsetzt und hart arbeitet, wird allenfalls ein wenig besser als seine Mitbewerber sein. Wer sich dagegen mit allen Mitteln auf ein kleines, möglichst wichtiges Gebiet konzentriert und spezialisiert, hat es wesentlich einfacher, der deutlich Beste zu werden – selbst, wenn er unter sehr ungünstigen Bedingungen startet.

Spezialisierung, Konzentration und Fokussierung: die Unterschiede 

Als der MST-Begründer Wolfgang Mewes in den 60er Jahren das Geheimnis der Spezialisierung neu entdeckte, reagierte die Fachwelt mit schroffer Ablehnung. Damals begann gerade die Blütezeit der Diversifikationsstrategie: als sicherster Weg, um Wert und Gewinn eines Unternehmens zu steigern galt die Verteilung der Aktivitäten auf möglichst viele von einander unabhängige Geschäftsfelder. Denn je mehr Märkte ein Unternehmen bedienen könne – so die Theorie – desto unabhängiger werde es. In der Summe können man so zwar keine Spitzenrendite erzielen, aber über alle Geschäftsfelder hinweg eine befriedigende Durchschnittsrendite. Als Vorbild galt die Strategie der Geldanlage: auch hier rät man (heute noch) den Anlegern, ihre Vermögenswerte möglichst breit in unterschiedlich risikobehaftete Produkte zu stecken: in Gold, Immobilien, solide, aber da für niedrig verzinste Wertpapiere, risikobehaftete, aber möglicherweise hoch rentierliche Aktien und so fort. Da sich diese Anlagen abhängig vom Zinsniveau zum Teil konträr entwickeln (Aktien steigen in Niedrigzinsphasen, Wertpapierkurse sinken), versprach diese Anlagestrategie die größte Sicherheit. Das gleiche Prinzip glaubte man auf die Unternehmensstrategie übertragen zu können.

Ähnliche Tendenzen beobachtet man im Bildungswesen: auch heute noch glauben viele Menschen, es sei besonders zukunftssicher, ein möglichst breites Wissen anzuhäufen. Je mehr Wissen man habe, desto größer sei die Chance, einen Arbeitsplatz zu finden, auf dem dieses Wissen gefragt ist. Ein folgenschwerer Irrtum. Auch im Rahmen der MST geht es darum, viel zu Wissen – aber nicht von allem ein bisschen. Statt dessen geht es darum, von einem eng begrenzten Gebiet ein tiefes, ganzheitliches Verständnis zu gewinnen. Mewes’ Spezialisierungslehre stieß in der damaligen Zeit auf heftige Widerstände. Dabei wurde übersehen, dass er schon damals eine vollkommen neue, ganzheitliche und integrative Strategie entwickelt hatte, die mit den einseitigen Scheuklappen-Spezialisierungen nichts gemeinsam hat. Zwanzig Jahre später waren alle Beteiligten klüger: die Diversifikationsstrategie erwies sich als nur von wenigen Spitzenkönnern unter den Unternehmenslenkern für durchführbar; die große Masse scheiterte und vernichtete weltweit Billionenwerte mit dieser Strategie. Seit Ende der 1980er Jahren galt die Diversifikation in ihrer Extremform als beerdigt. Statt dessen riefen die Strategiepäpste das Zeitalter der „Fokussierung“ und der „Konzentration der Kräfte“ aus.

Das, was uns heute unter „Fokussierung“ geboten wird, ist häufig nichts anderes als eine auf Branchen ausgerichtete Diversifikationspolitik. Ein wunderbares Beispiel ist die Daimler Benz AG. In den 80ern diversifizierte man was das zeug hielt: von dem Hausgeräte-Elektrokonzern AEG bis zum Weltraumspezialisten DASA versammelt man ein Sammelsurium von Töchtern und Beteiligungen unter einem Dach, die alle den gemeinsamen Nenner “Technik” hatten. Nachdem diese Strategie komplett versagt hatte und Milliardenwerte vernichtet wurden, folgte der neue CEO Jürgen Schrempp zur Freude der Anleger alsbald dem allgemein angesagten Trend zur „Fokussierung“, und zwar zunächst auf das Kerngeschäft „Verkehr“. AEG, Fokker, Dornier und andere wurden aus dem Portfolio verbannt, später folgte die hoch-defizitäre Adtranz, die sich unter anderem der Integration von Auto und Schiene verschrieben hatte. Das Geschäftsfeld wurde dann auf das ursprüngliche Kerngeschäft, das Automobil eingeschränkt – man könnte sagen: fokussiert. Doch sofort drohte das nächste Desaster: die Welt AG. Dahinter stand die Theorie, dass nur weltweit in allen Fahrzeugklassen präsente Unternehmen konkurrenzfähig bleiben werden. Die Daimler AG wurde ein weltumspannendes Konglomerat von Autofabriken und Vertriebsstützpunkten, das vom Kleinstwagen Smart über den luxuriösen Maybach bis zum Super-LKW aus dem Hause Freightliner weltweit alles zu bieten hatte, was des Autofahrers Herz zu erfreuen vermag. Doch um welchen Preis? Die Eintrittskarte für das Spiel um die Weltherrschaft in allen automobilen Klassen erwies sich als teuer: Der Kauf und die Integration von Chrysler und Freightliner in den USA, die Beteiligung an Mitsubishi in Japan sowie Hyundai in Korea und die Aktivitäten in China zehrten an den Ressourcen – erst an den personellen, dann an den finanziellen. Chrysler, Freightliner und andere belasteten das Konzernergebnis mit Milliardenverlusten. Drei Jahre nach dem „Superdeal“ DaimlerChrysler hatte sich der Aktienkurs halbiert, was einer rechnerischen Kapitalvernichtung von 40 Milliarden Euro entsprach. Scheinbar wurde auch im Rahmen der neuen Strategie das Maß des Machbaren überschritten „Man kann nicht alles machen“ räumte DaimlerChrysler-Vorstand Eckhard Cordes freimütig in der Frankfurter Allgemeine ein. Diese Strategie mag für einen amtierenden oder angehenden Global Player machbar und erfolgreich sein (wobei hier und da ernsthafte Zweifel angebracht sind). Unsinniger weise wird sie aber auch von vielen kleinen und mittleren Unternehmen kopiert, die einen Großteil ihres Erfolgspotenzials damit in den Mülleimer werfen oder – noch schlimmer – verzettelungsbedingt in die Pleite gehen.

Wie unterscheidet sich die Strategie der „Fokussierung“ und der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ von der hier propagierten Spezialisierung?

In erster Linie durch ihre klare Definition und einfache Handhabung. Praktisch alle „Kerngeschäftsstrategien“ leiden unter ihrer diffusen Abgrenzung. Beispielhaft dazu ein Zitat aus der 1985 verfassten Dissertation „Das Prinzip der Kräftekonzentration in der Unternehmensstrategie“ von Matthias zur Bonsen: „Wenn man jemandem sagt, er solle das Prinzip der Konzentration beachten, wird er kaum wissen, was er ganz genau zu tun hat. Es stellen sich sogleich eine Menge Fragen. Wann und in welcher Hinsicht soll man sich konzentrieren? Kann nicht auch das Gegenteil richtig sein? Was bewirkt überhaupt die Konzentration? Das eine Wort ,Konzentration‘ kann all diese Fragen nicht beantworten. Es gibt keine genauen Anweisungen für seine Umsetzung in die konkrete Realität. Das Prinzip der Konzentration ist gewissermaßen offen und in hohem Maße erklärungsbedürftig.“ Genau das ist das Dilemma der „Fokussierungsstrategien“, aus dem die Experten auch 15 Jahre später keinen Ausweg gefunden hatten – leicht zu erkennen bei Chris Zook und James Allen von Bain & Company in ihrem Buch Erfolgsfaktor Kerngeschäft – Zeitlose Strategien für Wachstum und Innovation. Dort endet der Versuch, das „Kerngeschäft“ zu beschreiben, auf das man sich zu konzentrieren habe, in folgender Definition: „Für die Zwecke dieses Buches definieren wir das Kerngeschäft als die Menge aus Produkten, Kapazitäten, Kunden, Vertriebskanälen und Gebieten, die das Wesen eines Unternehmens ausmacht und das die Basis seiner Wachstumsmission verkörpert – die nachhaltige und profitable Steigerung seines Umsatzes.“ Das ist natürlich keine Definition, wie die Autoren auch unmittelbar einsehen: „Diese Definition ist, wie wir zugeben müssen, unscharf und dürfte erhebliche Auseinandersetzungen im Management nach sich ziehen.“ Auseinandersetzungen wohl kaum – aber dafür sehr viel Unsicherheit und Beratungsbedarf! Insgesamt ist ein grundsätzliches Problem der „Kerngeschäftsdebatte“ schon allein die Begrifflichkeit: Wenn man von „Kerngeschäft“ spricht, konzentriert sich der Blick automatisch auf das Unternehmen selbst, in dem man die Rettung vermutet. Dahinter steckt der Glaube, man müsse nur so genau und intensiv wie möglich in sich selbst hineinschauen und würde dann schließlich die Lösung der eigenen Probleme entdecken.

Der der MST zugrunde liegende Ansatz geht immer von einer extravertierten, marktgetriebenen Sichtweise aus: „ganzheitlicher Spezialist für …“ ist immer bezogen auf Lösungen, auf Kunden im AUSSEN. Häufig ist es nämlich gar nicht so wichtig, was das Unternehmen im „Kern“ kann, denn dies ist immer vergangenheitsbezogen. Viel wichtiger ist, wofür das Unternehmen in Zukunft stehen will, was es dazulernen und dazukaufen muss, um überlebensfähig zu sein. 

Sie möchten alle Informationen?
Dann tragen Sie sich bitte in unseren Newsletter ein und Sie erhalten in wenigen Minuten das komplette PDF über 41 Seiten.

Die 4 Prinzipien der Mewes-Strategie erhalten